- Gustav und Amalie Struve waren wichtige Personen der Revolution von 1848: Für Meinungsfreiheit, Demokratie, Republik und Nationalstaat.
- Gemeinsam als Mann und Frau kämpften sie für ein besseres Land. In Anerkennung ihrer Leistung und Werte sind sie Namensgeber unserer Stiftung.
Herkunft und Ausbildung
Gustav von Struve war Jurist und demokratischer Revolutionär. Er wurde am 11.05.1805 in München geboren und entstammte väterlicherseits einer russischen Beamtenfamilie und mütterlicherseits einer württembergischen Beamten- und Pfarrersfamilie. Seinem familiären Hintergrund entsprechend studierte er Jura, zunächst in Göttingen, dann in Heidelberg. Dort war er jeweils Mitglied von Burschenschaften.
Durch Vermittlung seines Vaters trat er 1827 in den Gesandtschaftsdienst des Herzogtums Oldenburg ein. Dort arbeitete er als Mitglied der oldenburgischen Bundestagsdelegation in Frankfurt am Main, also beim Zentralorgan des Deutschen Bundes. Schon hier zeigte sich, dass er mit seinen politischen Ansichten aneckte, weshalb er 1829 zunächst als Landgerichtsassessor nach Jever versetzt und 1831 in Ehren entlassen wurde. Hiervon und von weiteren beruflichen Misserfolgen in den folgenden Jahren ließ er sich jedoch nicht entmutigen, sondern nahm sie vielmehr zum Anlass für eine persönliche Neuorientierung, die durch eine intensive Beschäftigung mit dem Werk Jean-Jacques Rousseaus angeregt wurde.
Frühe Lebensreform und politisches Engagement
Als früher Lebensreformer lebte Gustav von Struve fortan vegetarisch, lehnte den Genuss von Alkohol und Tabak ab und beschäftigte sich mit den Inhalten der Leibesübungen nach den Lehren des Turnvaters Jahn. Seinen Wohnsitz verlegte er in das liberale Großherzogtum Baden, wo er bereits einen Teil seiner Kindheit verbracht hatte. Ab 1837 arbeitete er als Anwalt am Oberhofgericht in Mannheim.
Durch seine publizistische Tätigkeit, etwa als Herausgeber der „Zeitschrift für Deutschlands Hochschulen“ oder als Redakteur der Tageszeitung „Mannheimer Journal“, wurde er als Kritiker politischer Missstände bekannt. Wegen seiner oppositionellen Haltung geriet er mehrfach in Konflikt mit der Zensurbehörde. Bald gehörte er zu den führenden Köpfen der badischen Republikaner.
Die Ehe mit Amalie Düsar
Am 16. November 1845 heiratete er die fast zwanzig Jahre jüngere Amalie Düsar. Die Ehe galt als nicht standesgemäß, da sie im Gegensatz zu ihm aus ärmlichen Verhältnissen stammte. Sie war am 2.10.1824 in Mannheim als Tochter von Elisabeth Siegrist aus einer unehelichen Verbindung mit dem Offizier Alexander von Sickingen geboren worden. Der Sprachlehrer Friedrich Düsar heiratete Elisabeth Siegrist und adoptierte Amalie.
Die fortschrittlich und demokratisch gesinnte Familie ermöglichte ihr eine sehr gute Ausbildung. Sie sprach sehr gut Französisch und Englisch und arbeitete als Lehrerin, um die Familie zu unterstützen. Der Standes- und Altersunterschied war für die beiden kein Hindernis. Für Gustav Struve war Amalie die Liebe seines Lebens. Sie war selbst politisch sehr interessiert, eine eigenständig denkende Anhängerin der republikanischen Ideen ihres Mannes, beteiligte sich 1848 am Heckerzug und am Struve-Putsch, ging wie er ins Gefängnis und ins Exil. Amalie Struve war eine aktive, emanzipierte und politisch gebildete Frau.
Dem Paar wurden nach einer früh nach der Geburt verstorbenen Tochter noch zwei weitere Töchter geschenkt: Damajanti (1860-1937) und Amalie (1862-1917).
Politische Aktivitäten und Verfolgungen
Er war der Initiator der Offenburger Versammlung vom 12. September 1847, und seine Ideen flossen in die dort beschlossenen Forderungen der entschiedenen Verfassungsfreunde ein. In dieser Zeit legte er auch seinen Adelstitel ab. „Die Zeit des Adels ist vorüber. Bis heute hieß ich Gustav von Struve, von nun an will ich nur noch Bürger Struve sein!“1 Mehrmals wurde er inhaftiert.
Mit einigen Mitstreitern organisierte er die Mannheimer Volksversammlung vom 27. Februar 1848. Eine an die Ständeversammlung in Karlsruhe gerichtete Petition mit Forderungen wurde mit der Gewährung der Pressefreiheit und der Einführung von Geschworenengerichten teilweise erfüllt. Ziel blieb jedoch die Abschaffung der Monarchie und die Schaffung eines deutschen Einheitsstaates. Dafür wurde in großen Versammlungen mit mehreren zehntausend Teilnehmern geworben. Auf der zweiten Offenburger Versammlung am 19. März 1847 trat er für die Errichtung einer Republik in Baden ein.
Revolution und Exil
Im Vorparlament, das vom 31. März bis 3. April 1848 in der Frankfurter Paulskirche tagte und an dem er als Delegierter teilnahm, konnten sich die radikalen Demokraten mit ihren Vorstellungen nicht durchsetzen und ergriffen die Initiative zum Umsturz. Struves Mitstreiter, der charismatische Friedrich Hecker, rief in Konstanz die Republik aus. Nach dem Scheitern des sogenannten Heckerzuges im April 1848 gab Struve nicht auf. Zunächst floh er nach Frankreich. Seine Idee, dort bei Gleichgesinnten Hilfe für die republikanische Sache zu suchen, führte jedoch zur Entfremdung von Hecker.
Im September dieses Jahres zettelte er in Südbaden einen bewaffneten Aufstand an, nachdem er die Falschmeldung von einem erfolgreichen Aufstand der Republikaner in Frankfurt erhalten hatte. Am 23. September rief er in Lörrach die Republik aus. Der Umsturz scheiterte, nicht zuletzt, weil er improvisiert war und keine breite Unterstützung in der Bevölkerung fand. Als badische Truppen anrückten, wurde der Aufstand rasch niedergeschlagen. Struve und seine Frau wurden am 25. September von einer Bürgerwehr in Wehr verhaftet und von einem Gericht zu fünf Jahren Haft verurteilt. Der Traum von der Republik war vorerst ausgeträumt. Amalie Struve wurde jedoch bereits am 19. April 1848 nach knapp sieben Monaten Haft aus dem Gefängnis entlassen.
Beim Maiaufstand 1849 im Zuge der Reichsverfassungskampagne wurde Struve zwar freigelassen, aber in der provisorischen Regierung unter dem gemäßigten Republikaner Lorenz Brentano nicht berücksichtigt. Nach der Niederschlagung der badischen Republik durch preußische Truppen wurde Struve in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt.
Flucht und Leben in den USA
Dem Ehepaar Struve gelang es, wie vielen anderen Akteuren der gescheiterten republikanischen Revolution, zunächst über Frankreich in die Schweiz zu fliehen. Von dort ging es weiter nach England und schließlich in die USA. Dort engagierte er sich publizistisch und als Wahlkampfredner für die Republikanische Partei und deren Kampf gegen die Sklaverei und kämpfte schließlich als Offizier im 8. New Yorker Freiwilligenregiment im amerikanischen Bürgerkrieg.
Rückkehr nach Deutschland und Lebensende
Nachdem Amalie Struve 1862 in New York im Kindbett gestorben war, kehrte Struve 1863 nach Deutschland zurück. Die Gründung des deutschen Einheitsstaates, der in seiner Form nicht seinen Vorstellungen entsprochen hätte, erlebte er nicht mehr. Am 21. August 1870 starb er in seinem letzten Wohnort Wien an einer Blutvergiftung.
Vermächtnis von Gustav und Amalie Struve
Struves Verdienst war es, unermüdlich für die Verwirklichung einer Republik auf deutschem Boden gekämpft und sie unter abenteuerlichen Umständen in Lörrach ausgerufen zu haben. Mit seinen Forderungen nach Abschaffung des Adels, der Monarchie oder auch der Amtskirchen ging er weiter als die meisten politisch interessierten Zeitgenossen, denen es um liberale Reformen, um die Schaffung eines deutschen Nationalstaates im Rahmen der konstitutionellen Monarchie und im Einvernehmen mit den Fürsten ging. In der Sache waren seine Forderungen, wie er sie etwa im Vorparlament vertrat, radikal, im Kern aber liberal:
„Sicherheit des Eigenthums und der Person, Wohlstand, Bildung und Freiheit für Alle ohne Unterschied der Geburt, des Standes und des Glaubens ist das Ziel, nach welchem das deutsche Volk strebt.“2
Inspiration für die Gegenwart
Gustav und Amalie Struve können uns auch heute eine Inspiration sein. Ihr Einsatz für demokratische Grundrechte ist heute aktueller denn je. Auch ihr Kampf gegen die Pressezensur kann uns Ansporn sein in einer Zeit, in der politische Zeitschriften wieder verboten werden oder Meinungsäußerungen im Internet eingeschränkt zu werden drohen. Auch die Emanzipation der Frau, die das Ehepaar Struve so mutig vorgelebt hat, ist bedroht, nachdem Deutschland zum Einwanderungsland für Millionen Menschen geworden ist, die aus ihren Kulturkreisen andere Vorstellungen von der Rolle der Frau mitbringen. Es lohnt sich, für den Traum von Freiheit zu kämpfen.
Fußnoten
- Zitiert nach Felicitas Schuder, Gustav Struve (1805-1870). Scharfer Denker – glückloser Akteur, in: Clemens Rehm / Annette R. Hofmann, Gustav Struve. Turner, Demokrat, Emigrant, Ubstadt-Weiher 2020, S. 24.
- Verhandlungen des Deutschen Parlamentes. Officielle Ausgabe. Mit einer geschichtlichen Einleitung über die Entstehung der Vertretung des ganzen deutschen Volkes von Dr. Jucho, Frankfurt /Main1848, S. 6. Zitiert nach Irmtraud Götz von Olenhusen, Gustav Struve – Amalie Struve: Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle, in: Sabine Freitag (Hg.), Die Achtundvierziger. Lebensbilder aus der deutschen Revolution, München 1998, S. 73
Quellen
- Irmtraud Götz von Olenhusen, Gustav Struve – Amalie Struve: Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle, in: Sabine Freitag (Hg.), Die Achtundvierziger. Lebensbilder aus der deutschen Revolution, München 1998, S. 63-80.
- Wolfgang von Hippel, Revolution im deutschen Südwesten. Das Großherzogtum Baden 1848/49, Stuttgart 1998.
- Sabine Liebig, Eine andere Perspektive: Das Ehepaar Amalie und Gustav Struve, in: Clemens Rehm / Annette R. Hofmann, Gustav Struve. Turner, Demokrat, Emigrant, Ubstadt-Weiher 2020, S. 55-64.
- Heinrich Raab, Revolutionäre in Baden 1848/1849, S. 933-935.
- Clemens Rehm / Annette R. Hofmann, Gustav Struve. Turner, Demokrat, Emigrant, Ubstadt-Weiher 2020.
- Felicitas Schuder, Gustav Struve (1805-1870). Scharfer Denker – glückloser Akteur, in: Clemens Rehm / Annette R. Hofmann, Gustav Struve. Turner, Demokrat, Emigrant, Ubstadt-Weiher 2020, S. 19-28.
- Franz X. Vollmer, Der Traum von der Freiheit. Vormärz und 48er Revolution in Süddeutschland in zeitgenössischen Bildern, Stuttgart 1983.
- Marion Freund, Struve, Amalie, in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 601-602.